Wettbewerbssymposium

Wettbewerbssymposium

Symposium Wettbewerb und Regulierung im Eisenbahnsektor

Am 1. Januar 2024 jährte sich die deutsche Bahnreform zum 30. Mal. Anlass genug, um beim 17. Symposium „Wettbewerb & Regulierung im Eisenbahnsektor“ am 25. Januar 2024 Bilanz zu ziehen und darüber zu diskutieren was noch zu tun ist, um die aktuellen verkehrspolitischen Ziele zu erreichen. Das heißt konkret, den Marktanteil des Schienengüterverkehrs auf 25 Prozent zu steigern und die Verkehrsleistung im Schienenpersonenverkehr zu verdoppeln. In den Vorträgen und Diskussionen wurde deutlich: elementare Voraussetzung ist die Erhöhung der Infrastrukturkapazitäten – auch durch eine bessere Nutzung.

Der mit der Bahnreform von 1994 gestartete Wettbewerb auf der Schiene sei ein Erfolg, so DB-Chef Richard Lutz. Neue Dynamik und mehr Kundenfokus hätten zum Schienenverkehrswachstum beigetragen. Heute seien auf dem Schienennetz der DB so viele Züge unterwegs wie noch nie. Auch das Reformziel Entlastung des Bundeshaushalts sei in der Phase nach der Bahnreform erreicht worden. Die Kehrseite: zu geringe Investitionen in die Schieneninfrastruktur, um mit dem Wachstum Schritt zu halten und weiteres Wachstum zu ermöglichen. Gemeinsam mit dem Bund steuere die DB konsequent gegen. Kernaufgabe der am 1. Januar 2024 gegründeten gemeinwohlorientierten DB InfraGO AG sei es, Schienennetz und Bahnhöfe aus einer Hand zu bewirtschaften, weiterzuentwickeln und auszubauen. Der Weg zu einer starken Schiene führe über eine starke Infrastruktur, betonte Lutz.

Die Gemeinwohlorientierung der Infrastruktur sei der größte Reformschritt seit 1994, erklärte Michael Theurer, Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr. Darüber hinaus brauche es eine neue und transparente Finanzierungsarchitektur für das deutsche Schienennetz. Das sei auch ein wesentlicher Vorschlag der Beschleunigungskommission Schiene gewesen. Der Weg dorthin führe über einen rollierenden und damit mehrjährigen Infraplan nach österreichischem Vorbild. Die Mobilität der Zukunft müsse vor allem klimaneutral und energieeffizient sein und sie werde multimodal sein. Den Sektor Schiene noch mehr in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Betrachtung zu rücken, könne dazu beitragen, mehr Fachkräfte zu gewinnen. 

Welchen Beitrag die europäische Verkehrspolitik leisten kann, um die notwendigen Infrastrukturkapazitäten für weiteres Wachstum der klimafreundlichen Schiene zu schaffen, erläuterte Filip Negreanu-Arboreanu, Kabinettchef der EU-Verkehrskommissarin Adina Vălean. Die Kommission habe mit der Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität das Rezept für ein sauberes und resilientes Verkehrssystem geliefert. Die Schiene habe dabei eine bedeutende Rolle. Unabdingbar sei es, auch private Investitionen für die Infrastruktur zu erschließen und die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene zu verbessern. Digitalisierungs- und Automatisierungspotenziale müssten dafür genutzt werden. Einen Weg zur besseren Nutzung der Bestandsinfrastruktur habe die Kommission mit ihrem Vorschlag für eine Verordnung über die Nutzung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn im einheitlichen europäischen Eisenbahnraum aufgezeigt.  

Einen Einblick in die österreichische Infrastrukturpolitik lieferte Herbert Kasser, Generalssekretär des österreichischen Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Die strategische Ausrichtung des 2021 verabschiedeten Mobilitätsmasterplans laute: Verkehr vermeiden, verlagern und verbessern. Die Architektur der österreichischen Infrastrukturplanung und -finanzierung bestehe aus drei zentralen Instrumenten: dem Zielnetz als langfristiger Ausbaustrategie für die Eisenbahninfrastruktur, den mittelfristig angelegten Rahmenplänen und den Finanzierungsvereinbarungen, mit denen das Zielnetz sukzessive umgesetzt werde. Der sechs Jahre in die Zukunft blickende Rahmenplan für das Netz der ÖBB-Infrastruktur AG werde jährlich erstellt, wenn notwendig angepasst und rollierend um ein Jahr ergänzt. Er umfasse die Maßnahmen, die innerhalb von sechs Jahren umgesetzt werden sollen und enthalte sämtliche Investitionen für Neu- und Ausbauprojekte, Reinvestitionen und Bestandsnetzprogramme (ETCS, Barrierefreiheit, Digitalisierung etc.). Auch sämtliche Aufwände für Instandhaltung, Inspektion und Wartung seien Teil des Rahmenplans. Mit Zuschussverträgen, die das Ministerium mit der ÖBB-Infrastruktur AG abschließe, würden die Planungen rechtlich verbindlich. Die Zuschussverträge hätten ebenfalls eine Laufzeit von sechs Jahren und würden jedes Jahr vom Gesetzgeber abgesegnet. Insgesamt werde so für alle Beteiligten Planungssicherheit und Verbindlichkeit hergestellt. Die stetige und verlässliche Infrastrukturpolitik zeige Wirkung: der Modal Split im Schienengüterverkehr liege bei rund 30 Prozent und solle langfristig 40 Prozent erreichen. Das gleiche Ziel gelte für den öffentlichen Verkehr (Bus und Bahn).

Beim Podium Kapazitätszuweisung der Zukunft diskutierten Dr. Wilhelm Eschweiler, Vizepräsident Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen, Dr. Philipp Nagl, Vorsitzender des Vorstands DB InfraGO AG, Neele Wesseln, Geschäftsführerin Die Güterbahnen und Michael Mittag, Director Network Planning & Market Access FLIXTRAIN, wie es gelingen kann, möglichst viel Infrastrukturkapazitäten verfügbar zu machen. In seinem einführenden Statement machte Eschweiler deutlich, dass eine optimale Kapazitätsplanung und -zuweisung den Erfordernissen der Nutzer bestmöglich Rechnung tragen müsse - das gelte auch für die Betriebsqualität. Der Verordnungsentwurf der EU-Kommission biete die Chance, den Verkehrsträger Schiene europaweit effizienter zu machen. Den unterschiedlichen Verkehrsbedarfen könne durch das Nebeneinander von rollierender Planung und Rahmenvereinbarungen besser Rechnung getragen werden. Nutzer und andere betroffene Infrastrukturbetreiber müssten schon in der Vorplanungsphase die strategische Planung aktiv beeinflussen können.

In der anschließenden Diskussion bestätigte Wesseln, dass die Einbindung der Unternehmen unbedingt erforderlich sei. Vor allem müssten die Bedürfnisse der Verkehrsarten besser abgebildet werden. Die Anforderungen im Schienengüterverkehr seien andere als im Personenverkehr. Rund 30 Prozent der Trassenbestellungen im deutschen Schienengüterverkehr entfielen auf Gelegenheitsverkehre. Für diese brauche man vorreservierte Kapazitäten. Mittag plädierte für mehr Transparenz. Die Bahnen trügen die unternehmerische Verantwortung und müssten auch die Laufwege bestimmen können, um ihr Angebot an der Kundennachfrage ausrichten zu können. Die vorhandene Kapazität und mögliche Einschränkungen müssten die Eisenbahnverkehrsunternehmen kennen, um die Trassenbestellungen zu optimieren.

Im Hinblick auf Forderungen nach einer besseren Betriebsqualität des Netzes machte Nagl den trade off zwischen den Zielen, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, und einer besseren Betriebsqualität deutlich. Auf überlasteten Strecken und in Knoten könne mehr Verkehr nur zu Lasten der Qualität realisiert werden. Damit die Qualität wieder stimme, müsse der Fokus auf der Modernisierung und Erneuerung des Bestandsnetzes liegen. Neu- und Ausbau sei richtig und wichtig; bestimmende Größe für Kapazität und Qualität sei aber das Bestandsnetz. Bestandssanierung und Neu- sowie Ausbau müssten parallel laufen, unterstrich Mittag. Ohne entsprechenden Ausbau und weitere Elektrifizierung der Infrastruktur sei ein Marktanteil von 25 Prozent im Schienengüterverkehr nicht darstellbar, erklärte Wesseln.

Um mehr Güterverkehr auf die Schiene zu bringen, forderte Wesseln zudem faire intermodale Wettbewerbsbedingungen, Innovationsförderung und eine bessere Steuerung der DB durch den Bund. Mit dem sogenannten Infraplan etabliert der Bund ein neues Steuerungsinstrument. Nagl betonte, der Infraplan sei ein wichtiges Instrument, um Transparenz und Verbindlichkeit zu schaffen. Aus seiner Sicht solle der Plan mit Fokus nach vorne aufzeigen, was notwendig sei, um 33.000 Schienenkilometer leistungsfähig vorzuhalten. Für die wichtigsten Gewerke – zum Beispiel Stellwerke und Weichen – sollte dann konkret vorgegeben werden, wie viele Anlagen jährlich zu modernisieren beziehungsweise zu erneuern sind.

Kritisch wurden mögliche Trassenpreissteigerungen diskutiert, die den Schienengüter- und -fernverkehr besonders träfen. Sie würden eigenwirtschaftliche Unternehmen überfordern, Investitionen und Markteintritte hemmen und könnten zu Angebotsausdünnungen führen, so Mittag. Auch für die Güterbahnen zeichneten sich wirtschaftliche Schieflagen ab, für die die drohenden Trassenpreissteigerungen in Kombination mit der gekürzten Trassenpreisförderung durch den Bund und der schlechten Netzqualität ursächlich seien, warnte Wesseln. Verlader zahlten keine höheren Preise, wenn die Qualität nicht stimme. Nagl nannte es einen „Defekt im System“, der sich durch die Deckelung der Trassenpreissteigerung im Schienenpersonennahverkehr ergebe. Damit könnten in diesem Verkehrssegment die Trassenpreise nicht der tatsächlichen Kostenentwicklung angepasst werden. Eine daraus resultierende Unterdeckung erfordere eine überdurchschnittliche Preissteigerung in den anderen Verkehrsarten, die nicht marktverträglich sei. Die Podiumsteilnehmer warben dafür, hier eine Lösung zu finden, denn Branche und Politik seien mit viel Engagement dabei, die angestrebte Verkehrsverlagerung zu realisieren.

Das nächste Wettbewerbssymposium findet statt am 30. Januar 2025.