
Wettbewerbssymposium
Am 30. Januar 2025 fand das 18. Symposium Wettbewerb und Regulierung im Eisenbahnsektor statt. Es stand im Kontext der in Deutschland und Europa in den neuen Legislaturperioden erforderlichen Richtungsentscheidungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Die Leistungsfähigkeit der Infrastrukturen ist dafür zentral. Die Bereitschaft zu umfassenden Investitionen und das realisierbare Umsetzungstempo werden die erzielbaren Fortschritte maßgeblich bestimmen.
In den Beiträgen und Diskussionen wurde übereinstimmend deutlich, dass Volumen und Ausgestaltung der Infrastrukturfinanzierung rasch und zielgerichtet verbessert werden müssen, um das System Schiene zukunftsfähig aufzustellen. Wer mehr Wettbewerbsfähigkeit wolle, müsse in die Infrastruktur investieren. Wer mehr Klimaschutz wolle, komme ebenfalls an einer starken Schiene nicht vorbei, so DB-Chef Richard Lutz. Für die europäische Infrastrukturentwicklung werde vor allem der nächste mehrjährige Finanzrahmen 2028 bis 2034 von entscheidender Bedeutung sein. Bundesminister Volker Wissing unterstrich, in einer Transformationsphase brauche es vor allem mehr Tempo. In den vergangenen drei Jahren seien mit mehr als 35 Milliarden Euro so viele Mittel für die Schieneninfrastruktur zur Verfügung gestellt worden wie noch nie. Mit den Korridorsanierungen sei ein zentraler Baustein auf den Weg gebracht, um mehr Personen- und Güterverkehr auf die Schiene verlagern zu können. Die Novelle des Bundesschienenwegeausbaugesetzes habe Fehlanreize beseitigt und ermögliche dem Bund, auch die Instandhaltung des Netzes zu fördern. Neben der Gründung der gemeinwohlorientierten Infrastruktursparte DB InfraGO AG sei ein Paradigmenwechsel bei der Steuerung der DB eingeleitet, der den Bund in die Lage versetzen werde, seine Kontrolle effektiver auszuüben. Wissing verwies auf den Infraplan und eine darauf abzustimmende Leistungsvereinbarung für das Bestandsnetz (LV InfraGo), die künftig die Planung, Finanzierung und Steuerung von Infrastrukturinvestitionen effektiv verbessern würden.
Piotr Malepszak, Unterstaatssekretär im Infrastrukturministerium der Republik Polen, erläuterte die polnische Vision für die Entwicklung des europäischen Eisenbahnsektors. Um die europäische Integration voranzubringen, sollten Lücken im europäischen Schienennetz geschlossen und grenzüberschreitende Verkehre ausgebaut werden. Malepszak warb dafür, sich auf praktische Problemlösungen zu fokussieren, die den Bahnbetrieb rasch und effizient verbesserten und für die Fahrgäste spürbaren Nutzen hätten. Von europäischer Bedeutung sei die Elektrifizierung grenzüberschreitender Strecken, wie zum Beispiel zwischen Polen und Deutschland. In der anschließenden Diskussion mit Richard Lutz und Stefan Schnorr, Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr, plädierte Malepszak dafür, sich beim nächsten EU-Haushalt auf die Infrastruktur zu konzentrieren. Auch Schnorr verwies auf die Bedeutung des transeuropäischen Verkehrsnetzes für die Wettbewerbsfähigkeit Europas. Im Rahmen des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens erwarte er für die klimafreundliche Schiene klare Signale bei Themen, die die Wettbewerbsfähigkeit adressierten und auf der europäischen Ebene angegangen werden müssten. Dazu zähle die weitere Digitalisierung des Schienenverkehrs durch das europäische Zugbeeinflussungssystem ETCS und mittels der Digitalen Automatischen Kupplung. Mit Bezug auf den Letta-Report erklärte Lutz, die Schiene sei eine der wenigen Industrien, die sehr umfassend zur Verwirklichung der EU-Binnenmarktfreiheiten beitrügen.
Am Nachmittag standen ein möglicher Infrastrukturfonds sowie die Regeln für Trassenzuweisung und Trassenentgelte im Fokus der Diskussionen. In ihrem Impulsvortrag erläuterte Christa Hostettler, Direktorin des Bundesamtes für Verkehr der Schweizerischen Eidgenossenschaft, die Ausgestaltung und Funktionsweise des schweizerischen Bahninfrastrukturfonds (BIF). Der unbefristet angelegte und zweckgebundene Fonds werde aus mehreren Quellen gespeist (Bundesmittel, Kantonsbeiträge, Steuern und Abgaben), die in der Verfassung verankert seien. Der BIF finanziere Betrieb, Substanzerhalt und Ausbau der Eisenbahninfrastruktur. Dabei habe der Erhalt Priorität vor dem Ausbau, damit nur so viel gebaut werde, wie langfristig erhalten werden könne. Jedes Programm und Projekt sei mit entsprechenden Finanzmitteln hinterlegt. So könnten Baukapazitäten gezielt aufgebaut und ausgelastet werden. Der BIF wirke: Das Schienennetz der Schweiz befinde sich grundsätzlich in einem sehr guten Zustand und erlaube den Bahnen eine zuverlässige und sichere Produktion. Die Schiene leiste einen wesentlichen Beitrag zur Entlastung der Straße, zur Verhinderung von Staustunden, trage zum Umweltschutz bei und stifte einen hohen volkswirtschaftlichen Nutzen. Eine langfristig angelegte stabile Infrastrukturfinanzierung lohnt also. Jede Infrastrukturstörung verteuere den Betrieb und brauche viele finanzielle und personelle Ressourcen zur Behebung, so Hostettler.
Die Teilnehmenden des anschließenden Panels waren sich einig: Dem Investitionsstau müsse man mit auskömmlicher Finanzierung begegnen. Wenn man die Finanzierung verstetigen sowie effizienter und planbarer gestalten wolle, wäre ein Infrastrukturfonds ein passendes Instrument. Staatssekretär Schnorr skizzierte das Konzept des BMDV für eine mögliche Fondslösung, die die Verkehrsinfrastruktur des Bundes umfassen solle. Ziel sei es, eine langfristige Finanzierungsperspektive zu geben und mehr Planungssicherheit für Infrastrukturbetreiber und die Bauindustrie zu erreichen. Der notwendige Mittelaufwuchs erfordere die Erschließung neuer Finanzierungsquellen, das könne auch privates Kapital sein. Aus Sicht der DB biete eine Fondslösung viele Vorteile für das System Schiene, unterstrich Michael Peterson, Vorstand Personenfernverkehr der DB AG, und plädierte für eine rasche Umsetzung. Je mehr Stabilität und Planungssicherheit das System habe, desto klarer sei auch, unter welchen Rahmenbedingungen Transporteure die Infrastruktur nutzen könnten. Mit Blick auf die angestrebte Verkehrswende verwies Bärbel Fuchs, Vorsitzende des Sektorbeirats, auf die Bedeutung des Deutschlandtaktes für die infrastrukturelle Weiterentwicklung des Schienennetzes. Welche Verkehrsleistung wollen wir im Zielzustand haben und welche Infrastruktur brauchen wir dafür – das seien die entscheidenden Fragen. Nur mit diesbezüglicher Klarheit könnten alle Marktteilnehmer, wie zum Beispiel die Aufgabenträger, zielführend investieren.
Eine stabile und planbare Finanzierung hilft zugleich bei der Bewältigung einer weiteren Herausforderung: Wettbewerbsfähiger Schienenverkehr setzt bezahlbare, verlässliche und über die Marktsegmente fair verteilte Trassen- und Stationspreise voraus. Vor allem die Finanzierung der Infrastruktur über Eigenkapitalerhöhungen der DB InfraGO AG hatte zuletzt stark steigende Trassenpreise zur Folge, stellte Daniela Brönstrup, Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur, fest. Da die Trassenpreisentwicklung im Schienenpersonennahverkehr gesetzlich limitiert ist, werden Schienengüter- und Schienenpersonenfernverkehr überproportional durch die steigenden Entgelte belastet. Das schwächt den Schienenverkehr im Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern und konterkariert das Ziel, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Daher müssten die Regeln für das Trassenpreissystem grundlegend reformiert werden, stimmten die Panelists überein. Alan Beroud, Vorsitzender des Vorstands Polskie Koleje Państwowe S.A. und Präsident des Internationalen Eisenbahnverbands UIC, beleuchtete die intermodalen Interdependenzen. Notwendig sei eine Balance zwischen Schiene und Straße, wenn es um die wesentlichen Kostenpositionen gehe. Neben den Infrastrukturnutzungsentgelten seien die Stromkosten ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor für den Schienenverkehr. Diese hätten sich in den letzten Jahren in Deutschland und in Polen verdoppelt bis verdreifacht. Bei der Infrastrukturfinanzierung müsse über weitere Optionen nachgedacht werden. Als Beispiel nannte Beroud Einnahmen aus dem EU-Emissionshandel.
Reformbedarf wurde zudem bei den Regeln für die Trassenzuweisung in Deutschland festgestellt. Hierzulande seien Fahrplankonstruktion und Trassenvergabe darauf ausgerichtet, möglichst viele Zugfahrten zu ermöglichen. Die DB InfraGO AG habe wenig Instrumente, um die Kapazitätsauslastung so zu steuern, dass Stabilität und Qualität sichergestellt werden könnten, so Peterson. Auch Fuchs plädierte für mehr Stabilität im System. Hostettler konstatierte, dass in Deutschland viel auf einem dicht befahrenen Netz geleistet werde. Um in einem dicht befahrenen System die Flexibilität zu bewahren, müsse entsprechend in Ausfahrts-, Zufahrts-, Abstellgleise, Kreuzungsstellen, Weichen, Überführungen, Serviceeinrichtungen etc. investiert werden. Man könne die Kapazitätsnutzung über Digitalisierung optimieren, erklärte Schnorr. Zudem müssten Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Qualität bei der Trassenzuweisung mehr berücksichtigt werden. Dazu seien perspektivisch gesetzliche Anpassungen notwendig.